Notwendigkeit

(Auf einer Brücke. Mehrere Autos fahren vorbei.)
A: …Dafür gibt es jetzt noch keinen Grund. Ich bin noch hier.
B: Sicher. Aber du wirst irgendwo durch die Bretagne irren, C. wird kaum die Straßenkarte richtig herum halten können. Und ich? Und ich sitz‘ irgendwo in Rom zwei Wochen lang und schau mir den Himmel von unten an; der doch aber überall gleich ist.
A: So hast du schon oft gedacht und nie kam’s wie erwartet. Schau mich an!
B: Ein Zimmer voller Nacktheit und ein Meer können einem sehr eng werden. Hier gehen dir die Pläne ein, zerrieben in der stillen Luft.
A: Ja.
B: Wenn man auf den Zehnspitzen lebt; sehr müde ist.
A: Wie es für mich sein wird…Ich weiß ja auch nicht (starrt abwesend ins Weite, rauft sich die Haare, fast aggressiv)
B: Was hast du?
A: Als du gesagt hast, dass du mich vermissen wirst…
B: So wird es sein.
A: Ich bin noch hier, verstehst du? Hier. Noch bin ich nicht weg.
B: Ein Sommer sehr lang. Und zwischen den Zeilen steht nichts geschrieben, das Glasfaserkabel schweigt unterm Asphalt.
A: Die Zeit als unsere Körper neu waren, junges Fleisch, unentdeckt; mythisch gewesen. Vor einem Jahr. Weißt du noch? Ich habe mich nicht getraut dich zu berühren.
B: Lass uns nicht sehr traurig sein, ja?
A: Es ist nur, dass mich alles aus den sandig-flüchtigen Bahnen wirft, das passiert. Sogar das, das nicht passiert.
Man spürt noch den Abdruck von kirschgleichen Lippen auf seinen Lippen und die ganze Stadt torkelt dir vor die Füße, wenn du nachhause gehst; die ganze Stadt liegt in den feucht, dreckig warmen Wiesen. Und der Himmel hat geschlossen, längst.
(Verkehrslärm schwillt stärker an.)
B: Wir werden sehen. Das ist alles sehr fern. Was ist ein Tag?
A: Ich muss nur denken, dass ich nie einfach so gehen würde. Du schon. Und ich halt’s nicht aus!
Stille.

Kommentare

  1. Von Marie am

    Sehr beeindruckend, du hast eine wahnsinnig schöne Sprache und lässt so viele Freiräume für den Leser, was mir persönlich sehr gefällt 🙂

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