Narcissus

/Ein dramatisches Gedicht frei nach Ovids Metamorphosen/

(Auf der Bühne steht ein großer Spiegel. Narcissus steht vor diesem, sein Spiegelbild dahinter)

Narcissus:
Wer mag das schöne Wesen sein?
Welch Strahl der Liebe rührt mich an?
Steig aus den Wassern und sei mein!
Ergeben bin ich deinem Bann
Wer magst du schönes Wesen sein?
Wie kann dein Anmut meinem gleichen?

Das Spiegelbild:
Wer mag das schöne Wesen sein?
Wie kann dein Anmut meinem gleichen?

Narcissus:
Verlass die Wasser und sei mein!
Wie könnt ich deinem Blicke weichen?
Wer magst du schönes Wesen sein?
Dein Lachen ist ganz wie das meine!

Das Spiegelbild:
Wer mag das schöne Wesen sein?
Dein Lachen ist ganz wie das meine!

Narcissus:
Lös’ dich den Wassern und sei mein!
So sprich doch, lass mich nicht alleine!
Wer magst du schönes Wesen sein?
Dass unser beider Lippen beben?

Das Spiegelbild:
Wer mag das schöne Wesen sein?
Dass unser beider Lippen beben?

Narcissus:
Kehr aus den Wassern und sei mein!
Ich ließe für dich selbst mein Leben!
Wer magst du schönes Wesen sein?
Dass du nun meine Tränen teilst?

Das Spiegelbild:
Wer mag das schöne Wesen sein?
Dass du nun meine Tränen teilst?

Narcissus:
Trenn dich den Wassern und sei mein!
Was pflicht dich, dass du hier verweilst?
Wer magst du schönes Wesen sein?
Mein Kuss soll lindern deine Schmerzen!

Das Spiegelbild:
Wer mag das schöne Wesen sein?
Mein Kuss soll lindern deine Schmerzen!

Narcissus:
Schwör ab den Wassern, und sei mein!
Spür nah mein Herz an deinem Herzen
Wer magst du schönes Wesen sein?
(küsst den Spiegel)
Doch weh! Du küsst mir kühle Schmach!

Das Spiegelbild:
Wer mag das schöne Wesen sein?
Doch weh! Du küsst mir kühle Schmach!

Narcissus:
Tauch aus den Wassern und sei mein!
Und tust du’s nicht, spring ich dir nach!
Wer magst du schönes Wesen sein?
(Langsam sinkt er am Spiegel nieder)

Das Spiegelbild (Richtet seinen Blick zum Publikum):
Er fragt es und ertrinkt im Bach

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