Wage es zu träumen

(Lichtkegel auf Geschäftsmann in schwarzen Anzug, sitzt auf einer Bank und tippt auf seinem Handy. Kleines Kind mit Plüschgiraffe kommt und setzt sich neben den Mann)
KIND: Ich habe heute einen Dinosaurier gesehen.
(Mann schaut abschätzig zum Kind, dann wieder auf sein Handy)
KIND: Da! Schon wieder! Da vorne läuft er und hat ein Eis in der Hand! (Zeigt mit seiner Hand in die Ferne)
MANN: Hör auf solch einen Unsinn zu erzählen. Dinosaurier sind vor langer Zeit gestorben. Hat dir das deine Mutter nicht beigebracht? (schüttelt genervt den Kopf)
KIND: Aber schau doch!
MANN: Ich seh nichts. Moment… (kneift die Augen zusammen) meinst du den großen Mann mit dem Eis in der Hand?
KIND: Ich sag doch da ist ein Dinosaurier.
MANN: Das ist kein Dinosaurier, es ist ein normaler Mann. Werd erwachsen Kind.
KIND: Ist mir doch egal, was Sie sagen. Was spricht schon dagegen sich die Welt ein wenig bunter zu machen.
MANN: Vieles spricht dagegen. Wenn du die Welt durch deine dummen Fantasien ersetzt, wirst du dich verlieren Kleiner. Lass dir eines gesagt sein, Fantasie, dass ist wenn du den Zugang zur Wirklichkeit verlierst. Das ist als wenn du dir die Mona Lisa nehmen würdest, sie aber nach deinen Vorstellungen mit neuen Pinselstrichen übermalst, bis das eigentliche Kunstwerk nur noch eine verzerrte Fratze zeigt.
(beide schweigen)
KIND: (leise) Aber ich mag meine Fantasie. Und meine Pinselstriche machen das Bild nur noch schöner! In meiner Fantasie da kann ich machen was ich will und keiner stört sich daran. Ich kann mit meinen Freunden durch die Lüfte fliegen, oder bin Kapitän eines riesigen Piratenschiffes auf der Jagd nach einem geheimnisvollen Schatz (gestikuliert wild). Ich kann so so vieles tun! Es ist fast besser als Träumen und
(MANN unterbricht KIND)
MANN: (barsch) Deine Träume bringen dir nur nichts in der Realität. Was meinst du wie gerne ich mal wieder in meine Fantasien flüchten würde. Die Freiheit zu genießen, an nichts anderes mehr denken zu müssen. Keiner der dir sagt was du zu tun und zu lassen hast. Keiner der dir vorschreibt, wie du zu leben hast und dich nicht verurteilt, wenn du es nur wagst zu träumen. (starrt mit traurigen Lächeln in die Ferne)
KIND: Deswegen will ich nie erwachsen werden.
(KIND rutscht auf Bank näher zu MANN und nimmt seine Hand)
KIND: Bei mir dürfen Sie träumen. Dann können sie wenigstens ein bisschen frei sein.
(Licht nur noch auf MANN)
MANN: (zu sich selbst) Darf ich es wagen für einen Moment Freiheit zu verspüren? Wie verlockend dieses Angebot doch ist. Die Gesellschaft hat mir gezeigt, dass Fantasie nicht zum Ziel führt. Man kann nur überleben, wenn man sie tief tief in sich hinein schließt. Den Schlüssel im Schloss dreht und dann in einen weit entfernten See schmeißt, sodass nichteinmal die kleinste Chance entsteht, den Käfig wieder zu öffnen.
KIND: Hier. (Licht wieder auf beide)
(Gibt MANN einen Schlüssel, dieser nimmt ihn dankend an und betrachtet ihn in seiner Hand)
MANN: Sieh mal, da läuft ein Dinosaurier.
(Licht geht aus)

Kommentare

  1. Von Flecki am

    Eine sehr tolle Geschichte. Sehr schön geschrieben und echt tolle Idee.

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