Das schönste Geschenk
Farah: Weißt du, welcher Tag morgen ist?
Kahira: Dienstag, nicht wahr?
Farah: Ja, es ist aber auch mein Geburtstag.
Kahira: Oh. Daran habe ich gar nicht gedacht. Tut mir leid.
Farah: Kein Problem, wir hatten ja deutlich wichtigere Dinge zu klären in den letzten Wochen und Monaten.
Kahira: Ich habe gar kein Geschenk für dich, dabei bist du doch meine Schwester. Wir haben uns immer etwas geschenkt.
Farah: Du bist mein Geschenk. Allein dass wir hier sind, ist mehr als genug.
Kahira: Aber das ist doch gar kein richtiges Geschenk!
Farah: Du bist noch jung, du verstehst das nicht.
Kahira: Ich bin schon vier!
Farah: Ja, genau. Du bist vier. Und du bist am Leben.
Kahira: Aber wir sind nicht in Syrien. Du hast morgen Geburtstag und wir sind gar nicht in Syrien! Farah, wir sind nicht zuhause an deinem Geburtstag.
Farah: Nun, das stimmt und stimmt auch nicht.
Kahira: Wie meinst du das?
Farah: Syrien war unser Zuhause, ja. Aber wir sind nicht mehr in Syrien, sondern in Deutschland. Wären wir noch dort, dann wären wir tot. Deshalb will ich meinen Geburtstag gar nicht dort verbringen.
Kahira: Aber es ist doch unsere Heimat! Bist du gar nicht traurig, dass du nicht in unserer Heimat sein kannst, an deinem zwölften Geburtstag?
Farah: Nicht Syrien ist meine Heimat, sondern du bist es. Heimat ist nicht ein Ort, Heimat ist kein Land. Heimat ist ein Gefühl. Und wenn ich bei dir bin, wenn ich an dich denke, wenn ich dich sehe, dann fühle ich es.
Kahira: Ich bin deine Heimat?
Farah: Ja. Heimat ist ein Ort, an dem man sich immer wohl und sicher fühlt. Und weißt du was? Selbst als die Schüsse ertönten, selbst als wir auf dem Flüchtlingsboot waren, selbst dann habe ich mich immer wohl und sicher gefühlt. Weil ich bei dir war. Du bist meine Heimat, Kahira. Und dass du lebst, ist das schönste Geschenk.