Heimat um jeden Preis

A: *sitzt seitlich zum Publikum, die Knie angezogen, das Gesicht in den Händen vergraben*
B: *kommt dazu* Was machst du denn da?
A: Ich will heim.
B: Du bist zu Hause. Das ist der Ort an dem wir aufgewachsen sind. Was willst du mehr?
A: Eine Heimat.
B: *lacht nervös* Das meinst du nicht ernst. Komm schon, das hier ist deine Heimat. Unsere Heimat.
A: Weil wir hier aufgewachsen sind?
B: Natürlich. Das ist Heimat.
A: Heimat ist kein Ort. Heimat ist ein Gefühl. Heimat ist Geborgenheit und Vertrautheit, vielleicht Kindheit, aber nicht unbedingt. Nicht wenn Kindheit…
B: Was ist nur mit dir los? Jahrelang willst du nicht darüber reden und jetzt fängst du plötzlich an philosophisch zu werden und ziehst mich hinein?
A: *dreht sich stumm weg*
B: *packt ihn an der Schulter und dreht ihn um* Oh nein, Thomas. Du hast das Thema angefangen, also bringen wir es zu Ende. Ja, es war schlimm. Ja, du musstest es fünf Jahre lang ohne mich durchhalten, aber wenn du der Ältere gewesen wärst, wärst du doch auch an deinem achtzehnten Geburtstag abgehauen, ohne an deinen kleinen Bruder zu denken. Ich wollte nur weg von Vater. Weg von den Erinnerungen. Und jetzt wo er tot ist haben wir uns beide sicher genug gefühlt um hier her zurückzukommen. Okay, vielleicht ist es keine gute Heimat. Aber was ist Heimat schon?
A: Du hast mich verraten, damals.
B: Hör zu, es tut mir leid, ich…
A: Du warst egoistisch. Du konntest fliehen, ich nicht. Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl. Du warst meine Heimat und du hast mich verlassen.
B: Thomas, ich…
A: Es war leicht, weißt du. Es aussehen zu lassen wie ein Unfall. Bei so einem Arschloch wie unserem Vater denkt doch eh jeder er säuft sich irgendwann zu Tode, oder baut betrunken Mist. Es war leicht, wirklich.
Pause
B: *ungläubig* Hast du gerade gesagt, hast du…? Du hast ihn nicht getötet, das war nicht was du sagen wolltest! Thomas, sag mir dass du unseren Vater nicht getötet hast!
A: *schweigt*
B: THOMAS! ANTWORTE MIR!
A: * wie in Trance* Er war ein Arschloch und du hast mich allein gelassen.
B: *verzweifelt* Hör zu, das bestreite ich ja gar nicht. Aber du hattest es doch schon geschafft. Du hattest dein eigenes Leben und Geld und eine Wohnung weit weg von hier. Ich verstehe nicht…
A: Keine Heimat.
B: Was?
A: Keine Heimat. Ich hatte keine Heimat und solange er lebte, hätte ich mich nie hierhin getraut.
B: Du hast unseren Vater getötet, damit sich unser Haus anfängt anzufühlen wie eine Heimat?!? Nein, sag nichts, antworte nicht. Oh Gott, Thomas, ich brauche einen Moment allein. * Taumelt von der Bühne*
A: *sieht ihm nach, nimmt wieder seine Anfangsposition ein, lässt den Blick über seine Umgebung schweifen* *flüstert*
Hat sowieso nicht geklappt.

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