Richtig

Es ist ein warmer Sommernachmittag. Wolkenloser Himmel, ein paar Vögel fliegen umher, die Grillen zirpen.
Dario und Noah liegen auf einer grünen Wiese im Schatten eines Apfelbaums, irgendwo im Nirgendwo, in weiter Ferne eine ruhelose Stadt mit Millionen von Geschichten.

D: Was ist das?
N: Was ist was?
D: Na das hier. Dieser Ort, was ist das?
N (Amüsiert): Das ist eine Wiese, Dario. Ist dir der Wein zu Kopf gestiegen oder was ist da los bei dir?
D (Setzt sich hin, schaut in die Ferne): Nein, du verstehst nicht. Was ist das hier? Dieser Moment, dieser Augenblick, dieses Gefühl. Was ist das?
N(Lacht, dreht seine Kopf zu Dario): Ich hab echt keine Ahnung wovon du sprichst man.
D: Ach Noah, komm schon. Wie fühlt sich das hier für dich an? Hier zu liegen, an Nichts zu denken, einfach nur zu sein.
N: Ähm, gut schätze ich? Entspannend halt.
D: Hmm, entspannend, das passt. Aber fühlst du da nicht noch mehr?
N: Wie meinst du das?
D: Naja, ich sitze hier, schaue mich um, fühle mich gut. Fühle mich sehr gut. Ich fühle mich besser als in der Stadt, ruhiger, keine Ahnung, einfach richtig.
N(Lacht): Du fühlst dich richtig, soso. Ich glaube du hattest zu viel Wein mein Freund. (Nimmt die Flasche und trinkt.)
D: Nein man, hör‘ mir doch zu. Manchmal ist es doch so: Du bist an einem Ort, irgendeinem Ort, auf einer Party, am Meer, auf dem Dach von einem Haus, was weiß ich. Und dann fühlt man dieses Gefühl, dieses „Hier bin ich richtig, hier kann ich bleiben.“. Und dann fühlt man dieses Gefühl und es ist so schön, endlich richtig zu sein. Aber dann fallen einem die Kleinigkeiten, die Fehler, das Nervige auf und das Gefühl ist weg. Warum ist das so? Kann man einen Ort finden, an dem man für immer richtig ist?
N(Schließt die Augen, nachdenklich): Naja, bestimmt gibt’s diesen Ort. Ich mein, vielleicht muss man die Fehler akzeptieren, die machen diesen Ort, dieses Gefühl schließlich zu dem, was er schlussendlich ist oder?
D(Legt sich wieder hin): Ich weiß nicht. Dieses Gefühl ist perfekt, weil es einfach keine Anforderungen stellt, es ist plötzlich da, macht dich glücklich, macht dich richtig. Und die Fehler zerstören das.
N: Vielleicht gehört das zum Leben dazu. Vielleicht muss man lernen, dieses Gefühl als Luxus anzusehen. Es kann nicht immer alles perfekt, alles richtig sein, es ist doch trotzdem oft schön, auch ohne das Perfekte.
D(Nachdenklich): Aber das ist doch Schade. Wer will schon ein Leben leben, in dem man nur manchmal oder per Zufall mal richtig ist? Niemand oder?
N: Ich weiß nicht, so leben doch irgendwie alle oder? Zuhause in der Routine, Heimat finden im Gewöhnlichen, mit diesen besonderen Momenten als kleine Lichtblicke. Aber deswegen ist ja nicht alles schlecht, weißt du wie ich mein‘?
D: Nein, das will ich nicht. Ich möchte immer glücklich, immer richtig sein, mich immer so fühlen. Und wenn ich dafür reisen muss, wenn ich dafür kein Haus, keine Konstante hab, na und? Das ist doch kleiner Preis wenn man als Belohnung richtig sein kann.
N: Du wärst trotzdem nicht durchgängig richtig Dario. Die Momente zwischen dem „Richtig“ sind zwar kürzer, aber sie wären immer noch da.
D(Steht auf, trinkt eine Schluck Wein): Es muss da einen Weg geben, das weiß ich genau. Vielleicht gibt’s ja doch irgendeinen Ort, an dem man immer richtig ist.
N(Setzt sich auf und schaut zu Dario): Vielleicht gibt’s den. Vielleicht auch nicht. Vielleicht ist das der Sinn des Lebens, Auszubrechen und den Ort, die eine Heimat zu finden, an dem man immer richtig ist.
D(Geht zu seinem Fahrrad): Vielleicht ist es so Noah, vielleicht ist es so.
N(Verwundert): Wo gehst du hin? Wir sind doch gerade mal ‘ne halbe Stunde hier.
D(Dreht sich um und lächelt): Ich bin nicht mehr richtig und ich muss den Ort finden, an dem ich es wieder bin.

Dario fährt los.

N(Steht auf, packt die Decke zusammen und geht zum Fahrrad, blickt Noah hinterher und lacht): So ein Vogel. Warte Dario!

Kommentare

  1. Von Valentina am

    Gutes Stück. Das Thema beschäftigt jeden mal

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