Wo der Baum grün ist (Ein Monolog)

Es war ein grauer Nachmittag als wir uns ergeben mussten.
Die Sonne schien sich hinter den Wolken zu verstecken, als könne sie unsere Schande nicht ertragen.
Und jetzt? Jetzt strahlt sie vom wolkenlosen Himme, um uns zu verhöhnen, uns, die, wenn sie nach Hause zurückkehren, ihren Familien sagen müssen, dass das Leid der letzten Jahre umsonst war.
Es ist eine Schande in die Heimat zurückzukehren.
Genau an dieser Stelle habe ich Maya das letzte Mal gesehen. Vor dem Krieg.
Damals trug der Baum noch Blätter.
Maya stand hier, ich ihr gegenüber, sie mit dem Kind auf dem Arm, ich mit dem Soldatenhelm auf dem Kopf.
Ich erinnere mich noch genau an ihren Blick.
Die Angst vor dem Loslassen und die Gewissheit, dass es nicht anders geht.
Es war schwer wegzuschauen.
In ihrem letzten Brief, vor einer Wochemit dem Poststempel versehen, erzählte sie mir von zu Hause.
Dass zwei ihrer Freundinnen jetzt Witwen sind. Mit den Kindern allein.
Ihre Ehemänner sind den Heldentod gestorben, wird versichert.
Sie haben ihrem Vaterland einen großen Dienst erwiesen.
Was für ein Schwachsinn!
Wir haben den Krieg verloren!
Scheiß auf den Dienst fürs Vaterland!
Das wars. Es ist vorbei.
Ich gehe jetzt zu meiner Frau und meinem Kind, wir hauen ab von diesem gottverdammten Ort und suchen uns eine neue Heimat.
Wo der Baum, an dem Maya, das Kind und ich sitzen werden, grün ist.

Kommentare

  1. Von Smokey am

    Das ist so schön, dass es mir in der Seele zieht – auch wenns wohl kein typisches Mini-Drama ist….

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