Der traurige Ritter

(Vorhang auf. Ein Ritter schleppt sich einen Berg hinauf. Er trägt ein großes, goldenes Schwert an seinem Gürtel. Schließlich kommt er völlig außer Atem und nach Luft ringend auf der Spitze an. Als er wieder Luft bekommt schreit er mutterseelenallein gerade heraus.)

Ritter: Hier bin ich! Nach stundenlangem Klettern in Eiseskälte bin ich nun endlich hier! Du bist der Berg, von dem sie sagen, dass er die Erleuchtung für ein glückliches Leben bringt! Ich habe nie daran geglaubt! Niemand kann einem Menschen einfach ein glückliches Leben bringen! Erst recht kein Berg!
(Er richtet sich auf)
Ritter: Aber ich weiß nicht mehr weiter. Deswegen bin ich hier, auch wenn ich nicht an die Legende glaube. Also sag mir, wie werde ich glücklich?
(Er breitet beide Arme aus und wartet mit einem vorwurfsvollen Gesichtsausdruck. Alles ist ruhig.)
Ritter: Wusste ich es doch. Ich werde wohl nie zum Glück finden.
(Er setzt sich hin und vergräbt sein Gesicht in den Händen. Plötzlich ertönt eine laute, tiefe Stimme wie aus dem Nichts)
Berg: Wieso bist du unglücklich?
Ritter: Unglaublich. Das kann es doch nicht geben! Die Legende ist wahr!
Berg: Wieso bist du unglücklich? Du bist ein Ritter mit goldenem Schwert und hast dich um nichts zu sorgen.
Ritter: Das alles bedeutet mir nichts. Ich wollte immer Schriftgelehrter werden, aber Zuhause wurden meine Eltern wütend, wenn ich das sagte und sie schämten sich für mich. So fing ich doch eine Ausbildung zum Ritter an, obwohl ich jeden Tag als Ritter hasste. Doch nun habe ich Ansehen und ein goldenes Schwert, das ich für meinen Dienst bekommen habe. Ich bin trotzdem nicht glücklich und weiß nicht, was ich noch tun soll. Nun großer Berg, was rätst du mir?
Berg: Nimm dein Schwert und wirf es weg.
Ritter: Mein Schwert ist das wertvollste, was ich habe. Ohne es kann ich kein Ritter sein und dann habe ich nichts mehr!
Berg: Du weißt, was du tun sollst. Dein Schwert war ein Symbol für deinen gescheiterten Traum und für alles, was du nie wolltest. So lange du es trägst kannst du nicht frei sein.
(Der Ritter nimmt das goldene Schwert in beide Hände und betrachtet es. Dann wirft er es den Berg hinunter und es verschwindet im Nebel)
Berg: Du hast dein Schwert und damit deine Vergangenheit mit allem, was dich belastet hat, weggeworfen. Nun ist es an der Zeit von vorne zu beginnen, denn es ist nie zu spät.
(Die Stimme verschwindet. Der Ritter setzt sich, um das Gesagte zu verarbeiten)
Ritter: Der Berg hat recht. Seit ich aufgehört habe meinen eigenen Traum zu verfolgen, habe ich kein glückliches Leben mehr geführt. Ich werde neu anfangen! (steht auf) Ich werde Schriftgelehrter wie ich damals wollte und ich werde ein Buch schreiben! Ja, über mich und über mein Leben. …Und was mich dieser Berg gelehrt hat.
(Er steigt hinab, der Vorhang schließt sich)

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