Hades und Persephone

Persephone und Hades spazieren nebeneinander auf die Bühne. Persephone wirkt sehr mit sich selbst und ihren eigenen Gedanken beschäftigt, während Hades eher auf sie fokussiert ist. Er schaut sie an, lächelt zaghaft, sie bemerkt es nicht, er scheint zu überlegen, ob er ihre Hand nehmen soll, lässt es sein und streicht nur zärtlich über den Saum ihres Kleides. Wieder reagiert sie nicht (aber nicht auf eine abweisende, sondern auf eine abwesende Weise) und geht neben ihm bis zum vorderen Bereich der Bühne, bleibt dort stehen. Er schaut Persephone an.

Hades: Manchmal höre ich zu, wenn die Menschen zu mir beten. Weißt du, was einmal einer von ihnen gesagt hat? Das, was ihn an mich – an uns – glauben lässt, ist die Liebe. Wenn er in das lächelnde Gesicht seiner Geliebten schaut, dann löst das Stürme in ihm aus – obwohl es nur ein Gesicht ist. In seiner Geliebten nimmt er etwas Göttliches wahr. Er weiß einfach, dass ihr Lächeln von einem Gott erschaffen sein muss.

Persephone schaut ihn nicht an, sie scheint nachzudenken. Stille. Hades schaut zum Himmel hinauf.

Hades: Die Sterne leuchten. (kurze Pause) Glaubst du, wir sehnen uns nach solchen Monumenten der Natur, weil sie so groß und bedeutungsvoll sind, genau wie wir, oder weil sie mächtiger sind als wir, und uns zeigen, dass wir trotz unseres Götter-Daseins nur ein Windhauch sind, nur ein Duft, wahrgenommen und vergessen, nur ein Gedanke, gedacht und entschwunden?

Die Blicke von Hades und Persephone treffen sich zum ersten Mal. Sie schaut ihn an, sagt nichts, lächelt aber leise.

Hades: Wieso sehne ich mich wohl nach den Sternen?

Stille.

Persephone: Hades – du bist der Gott, an dessen Händen am wenigsten Blut klebt.

Hades blickt verlegen auf den Boden.

Persephone: Du bist anders als die anderen Götter. Ein wenig.

Hades blickt auf, wendet sich Persephone zu, schaut sie an.

Persephone: Ich muss weg von hier.

Persephone geht zur Mitte des vorderen Bühnenrandes. Sie schaut starr und bewegungslos geradeaus. An Hades Enttäuschung wird deutlich, dass sie verschwunden ist. Das Licht wird gedimmt.

Hades: Wieso sehne ich mich wohl nach dir?

Das Licht geht aus. Als es wieder heller wird, steht Persephone in derselben Position am selben Ort. Dann atmet sie tief ein, scheint Ruhe zu finden, lässt ihren Blick über das Publikum schweifen – bis sie plötzlich an einem bestimmten Punkt irgendetwas zu sehen scheint. Im nächsten Moment springt sie von der Bühne, rennt wie gejagt den Mittelgang entlang und verschwindet.

Kommentare

  1. Von Sophie am

    Total schön! Ich fands irgendwie sehr bewegend 🙂

  2. Von kim am

    Toll geschrieben! Fesselnd und eine tolle Idee

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