Adler und Paraglider
Ein Paraglider (ein Kind) und ein Adler (eine Puppe, spricht langsam mit einer tiefen heiseren Stimme) schweben in der Luft über die Bühne. Das Bühnenbild schafft den Effekt, als ob die zwei Figuren über ein Tal fliegen würden.
Am Anfang hört man sehr laut das Pfeifen des Windes, dann wird es leiser, nur als kaum hörbarer Hintergrundton.
PARAGLIDER: Hallo Adler! Ahoi! So schön ist es hier! Fliegst du öfter da?
ADLER: Hi! Ich fliege immer hier, aber dich hab‘ ich noch nie gesehen. Wo ist dein Horst?
PARAGLIDER: Mein Horst? Was ist das?
ADLER: Dein Horst ist dein Nest.
PARAGLIDER: Ah! Na ja, siehst du das Dorf dort, auf dem Hügel? Dort ist mein Horst, das Braune mit den grünroten Läden, ein ganz alter Horst, noch von meinen Urgroßeltern.
ADLER: Oho! So alt! Hält er noch?
PARAGLIDER: Ja, man muss aber immer wieder etwas renovieren, wechseln… du weißt schon.
ADLER: Ich verstehe, ich muss auch ab und zu neue Zweige reinstecken oder frisches Moos bringen. Jetzt muss ich zu meinen Küken, bin alleine, im Stress…
PARAGLIDER: Warum? Wo ist Frau Adler?
ADLER: Sie ist weg. Einmal flog sie, um Essen zu holen, und kam nicht mehr zurück. Ich habe sie überall gesucht, aber sie ist spurlos verschwunden. Das macht mich so traurig.
PARAGLIDER: Oh es tut mir leid. Es macht mich auch traurig. Kommst du alleine mit den Kindern zurecht?
ADLER: Schwer. Sie sind solche Lumpen – ständig streiten und bemühen sich einander aus dem Horst rauszuschmeißen. Sind deine Küken auch so?
PARAGLIDER: Ich bin selber ein Küken. Aber meiner Eltern – sie sind wirklich genauso.
ADLER: Suchst du jetzt für die Deinen auch Essen?
PARAGLIDER: Nein, das Essen bringen sie für mich, aber dann streiten sie und bemühen sich einander aus dem Horst rauszuschmeißen.
ADLER: Wozu fliegst du dann hier?
PARAGLIDER: Zum Erholen! Ich liebe fliegen!
ADLER: Komische Verhältnisse habt ihr! Oh luag! Ein Fuchs liegt tot da unten, den kann ich schnappen für meine Lumpen.
PARAGLIDER: Nein, nein, tue das nicht, er ist sicher voll Bleikugeln, du vergiftest nur die Küken! Ich weiß, mein Vater hat gerade in seiner Veterinärpraxis einen Adler, eine sie, sie hatte eine schwere Vergiftung.
ADLER: Eine sie, sagst du?
PARAGLIDER: Ja.
ADLER: Hat sie zufällig einen weißen Fleck hinter dem linken Auge?
PARAGLIDER: Glaube schon.
ADLER: Oh! Das ist sicher meine Liebste! Ich vermisse sie so! Ich dachte schon, ich sehe sie nie wieder.
PARAGLIDER: Mein Vater sagt, dass sie in ein-zwei Wochen wieder fliegen kann.
ADLER: Ach welch Freude! Wie schön, dass ich dich getroffen habe und dass deine Mutter deinen Vater aus dem Horst noch nicht rausgeschmissen hat!
PARAGLIDER: Ahoi Adler, ich habe mich auch sehr gefreut dich kennenzulernen!
ADLER: Sag‘ ihr, dass wir alle auf sie warten und dass ich sie sehr liebe!
PARAGLIDER: Sage ich unbedingt.
ADLER: Pass auf dich auf, Mensch. Wie ein meiner bekannten Hobbit immer sagte, fahrt wohl, wohin eure Fahrt auch führt, bis ihr heil in euren Horsten landet!
Kommentare
Toll geschrieben.
Wenn sich die Tierwelt und die Menschen so verstehen würden, wie in dieser Geschichte.
Schön verpackte Kurzgeschichte, verpackt mit viel Gefühl, den Zeitgeist treffend. Gratulation!
bewegend
Toll geschrieben. Die Zeichen der Zeit gut erkannt, und in einer schönen Geschichte verpackt. Gratuliere.
Gut und interessant geschrieben. Hat mir gefallen. Gratuliere.
Ein tolles Mini-Drama, in dem über einen Vergleich mit der Tierwelt gesellschaftliche und soziale Probleme sehr gut zur Geltung kommen!
Sehr schöne und kreative Geschichte, alles Gute!
tolle geschichte
Eine liebenswerte und aussagekräftige Geschichte.
Entzückende Geschichte und sehr berührend
Eine liebe Geschichte zwischen Mensch und Tier (König der Lüfte), die das Dasein im Universum zum Nachdenken bringt.