Auf Euch
Ich bin so wütend.
Früher einmal, da empfand ich Mitleid mit euch und mit mir erst recht.
Jahrelang trat ich zur täglichen Marter an, in der Schule, im Bus, auf dem Heimweg. Verfolgt von euren Blicken, vom Gelächter, von den Rufen und den achso unvermeidlichen Papierkügelchen. Jahrelang sagte ich mir, dass sind arme Menschen, die sowas tun, seelische Krüppel sind das.
Aber ein seelischer Krüppel war nur ich geworden.
Und wenn wir uns heute begegnen, grüßt du mich, am Bahngleis, auf der Post,
so als wäre nichts gewesen, dabei bin ich auf der Flucht vor dir.
Lange nicht gesehen, nein, ich bin ja auf der Flucht vor dir.
Du hast dich verändert, ja, ich bin ja im Exil.
Du gehst lächelnd davon, und du, du auch, ihr alle mit. Ihr habt eine Gabe vergessen zu können, längst ist mir das nicht mehr vergönnt, längst kann ich weder vergessen noch vergeben.
Dazu habt ihr mich gemacht, dazu habt ihr mich berufen.
Mit eurer Folter, mit eurem Quengeln und den feixenden Fratzen.
Wütend habt ihr mich gemacht, brandeswütend. Ich brenne aus. Meinen großen Durst stille ich mit Wasser, ganze Wasserfälle, ganze Ozeane verschwinden in meinem Schlund. Anstatt zu schlucken, nehme ich alle Kraft zusammen und spucke das Wasser hinein, in die Senken meiner Biografie. Da fällt es, da sprudelt es, da stürzt es hinab und verschlingt euch allesamt, die ihr da standet auf dem Pausenhof meiner Erinnerung, ach-so-dumm glotzend und feige.
Heute treiben eure Leichen auf den Meeren.
Meine Wut lässt sie schaukeln, hin und her, hin und her. Hin und her ging auch das Spiel, das ihr einst mit mir spieltet. „Lasst mich!“, mein Schrei im Tafelschwamm erstickt. „Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“, Lachen, Grölen, Feigesein. Das faulige Tafelwasser rinnt mir die Kehle hinunter, verklebt meine Haare, der Geruch bläht meine Nüstern auf.
Ich schreie, ich stampfe, ich spucke. Ich lösche und lösche aus, meinen Durst.
Dazu habt ihr mich gemacht.
Dazu habt ihr mich heranerzogen.
Kommentare
Wow,klare ,harte Worte! Gefällt mir‘