Eigentlich Rapunzel

[Geschlossene, aber beleuchtete Theatervorhänge]
Stimme:[ertönt schwungvoll durch einen Lautsprecher] “Sehr verehrte Oktaganer und Oktaganerinnen, die Sie sich hier so zahlreich zum Bewundern der besten Show unseres des Hepanjiar-Tales versammelt haben, erwarten Sie nun voll Spannung die einzigartige Darbietung der Hepanies.”
[Die Vorhänge öffnen sich und entblößen in altertümlichen Sachen gekleidete menschenähnliche Wesen, die sich im Erscheinungsbild nur dergestalt unterscheiden, dass ihre sanft kakaogebräunte Haut mit sichtbar blau leuchtenden Ornamenten, Kringeln und Verzierungen in kontinuierlichen Linien übersät ist-ihre Adern.]
[Moderner Tanz mit einer Mischung aus Ballett wird aufgeführt.]
[Nebel kommt von hinten durch den Saal. Wesen gleicher Gestalt wie jene auf der Bühne kommen gemeinsam mit dem Erscheinen des Nebels von hinten durch die Tür in den Saal geschlichen und werden nun mit einem einzelnen lilafarbenen Strahler in ein sattes Lila getaucht. Sie führen große Degen bei sich und tragen Brustplatten.]
Delbadhor:”Da ist er.” [Er zeigt mit verhaltenem, gesenktem Finger auf einen der Tänzer (Halassi).]
Hannem[schaut finsteren Blickes zu ihm]: “Delbadhor, du überraschst ihn von links und Zepathan du schleichst dich von rechts an ihn heran.” [Macht eine kleine Pause, um seinen Ton beim Weitersprechen noch mehr zu verfinstern.] “Ich werde durch die Mitte gehen.” [Ein schiefes, ungutes Grinsen verziert sein Gesicht.]
[Das Entnehmen allen Lichtes des Raumes verrät die Schwärze des Pechs, das über den Köpfen der Hepanies hängt. Doch sie tanzen weiter. Das weiße Bühnenlicht erhellt wieder die ganze Bühne, um die Tanzkünste der Hepanies in ein rechteres Licht zu rücken.]
[Ein männlicher Tänzer und eine weibliche Tänzerin nähren sich tanzend über einen längeren Zeitraum Stück für Stück einander an, doch werden von vier anderen immer wieder auseinandergezogen. Die Tanzmischung hebt sich auf. Auf der linken Seite tanzt der Mann mit seiner Gruppe Ballett und auf der rechten die Frau Modernen Tanz. Der Vorhang schließt sich.]
Stimme:”Liebe Oktaganer und Oktaganerinnen, gewiss müssen Sie nach diesem fesselnden Tanzstück dem Hunger zum Opfer gefallen sein. Eine kleine Pause wird Ihnen die Zeit geben, dieses mit unserer großen Auswahl an den allerfeinsten Köstlichkeiten, wie beispielsweise Marmorfroschaugen, Kuhschwanzsaphir oder Goldstückmücken, zu befriedigen. Wir sehen uns in Kürze wieder.”
[Das flutende Licht verschwindet und wird durch ein einzelnes Scheinwerferlicht derselben Farbe auf der rechten Seite des Vorhangs ersetzt. Eine einzelne männliche Stimme ertönt.]
Halassi:”Wieso leuchten sie denn gar nicht?”
[Neben dem rechten Scheinwerferpunkt am Vorhang erscheint ein weiterer.]
Burgėn:” Sie sind eine andere Spezies. Vielleicht leuchten Oktaganer und Oktaganerinnen einfach nicht.”
Halassi:”Alle Wesen unseres Reiches leuchten. Ich habe noch nie ein nicht leuchtendes Publikum gesehen. Unsere Bühnentechniker und -technikerinnen haben sicherlich Mühe die fehlende Lichtquelle mit ausreichend Beleuchtung auszugleichen.”
Burgėn:”Wer weiß, aus welchem verlegenen Winkel unserer Welt sie kommen. Unser Reich ist nicht endlich.”
Halassi:”Manchmal wünschte ich, es wäre es.”
Burgėn:”Was? Das ist ja beinahe Königs-Blasphemie!”
Halassi:”Ach, man könnt so viel einfacher die Herzen, deren Verbindung sie zueinander ruft, im Einklange sich vereinigen lassen, wäre dieses Reich nicht so groß, die Macht nicht so gierig und der Mord nicht so tödlich.”
Burgėn:”Halassi, ich habe es dir schon so oft gesagt-es ist nur ein Tanzstück, das wir aufführen. Keine echte Geschichte.”
Halassi[mitgerissen, dadurch etwas aufbrausender] “Du irrst. Die Princesa ist ihre Verbindung eingegangen, bevor sie auf der Welt war. Es sind die Moiren, die die Schicksalsfäden auf die Verbindung zweier Seelen verwoben haben. Zwei unglückliche Seelen, deren Liebe der Machtgier ihres Vaters nicht standhalten kann.”
Burgėn:[locker, etwas abwerten] “Lass ab von deinen Gedankenspinnereien. Sie treiben dich noch in den Wahnsinn.”
[Ein lauter Gong ertönt. Die zwei einzelnen Lichter verschwinden. Der Vorhang öffnet sich.]
[Ein Strahler beleuchtet die Bühne. Auf dieser Stelle tanzt Halassi allein mit der Frau, von der er vorher durch die anderen getrennt wurde. Sie tanzen einen innigen Walzer miteinander. Ein weiterer lila Strahler wird auf Bėgen gerichtet, der von rechts auf der Bühne auftaucht und sich heimlich an beide heranschleicht. Er trägt ein Plastikmesser in der Hand. Er rammt Halassi das Messer zwischen Arm und Körper, sodass es von den Sitzplätzen so aussieht, als wäre er erstochen worden. Ein einziger kurzer Schrei entgleitet ihm, bevor er scheinbar leblos zu Boden sinkt. Begėn zögert nicht und ergreift die Flucht, indem er nach links von der Bühne erst tänzerisch springt, aber dann doch rennt, während die Tänzerin fassungslos über Halassi zusammenbricht. Sie übergießt ihn mit ihren bitteren Tränen. Nach einer Minute schließt sich der Vorhang. Das Licht geht an und die Tänzer und Tänzerinnen treten vor den Vorhang, um sich zu verbeugen.Hannem springt aus den Zuschauerreihen und geht auf Halassi los. Ein Stich, der perfekt getroffen ist, reicht aus, sodass Halassi niedersinkt. Seine Tänzerkollegen und -kolleginnen sehen schockiert und entsetzt zwischen ihm und seinem Angreifer hin und her. Die Tänzerin, die vorhin nur gespielt niedergesunken ist, sinkt nun wirklich voller Bestürzung auf die Knie, um ihre Tränen auf Halassi zu vergießen.]
Hannem:[packt die kniende Tänzerin am Arm und zieht sie hoch]:”Endlich gehörst du mir!” Meine Princesa!”
[Das Licht geht aus, alle Darsteller/innen verschwinden hinter der Bühne. Das Saallicht erleuchtet.]
Direktor:[tritt auf die Bühne]”Wieso sehen Sie denn alle so bestürzt aus! Die Vorstellung hat doch noch gar nicht gefallen. Gefällt Ihnen Rapunzel etwa nicht?”

Kommentare

  1. Von sophie am

    super Drama! Gefällt mir sehr gut‘

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