Ein Gespräch mit der Freiheit

Eine schmucklose Bühne mit zwei Sesseln. Ein Moderator und die Freiheit sitzen mit Mikrofonen im Scheinwerferlicht.

Moderator: Herzlich willkommen zu „Ungescripted und unfreundlich“! Die Talkshow bei der SIE die Fragen stellen und unseren Gast so richtig in die Mängel nehmen, Zwinker Zwinker! (Der Moderator schneidet übertriebene Grimassen) DAS WIRD SUPER DUPER ENTERTAINING!!
Kommen wir zu meinem – oder Ihrem- heutigen Gegenüber: Sie sind also die Freiheit?

Die Freiheit: Das entscheide ich jeden Tag neu.

Moderator: Es freut mich, Sie im Studio begrüßen zu dürfen.

Die Freiheit: Mich auch.

Moderator: Beginnen wir mit einer kurzen Vorstellung: Wie immer 3 Funfacts über sich selbst! DAS WIRD SPAßIG!

Die Freiheit: (sichtlich verkrampft) Mein Lebensmotto ist: „Die Gedanken sind frei.“ Ich habe Platzangst. Wenn ich ein Superheld wäre, würde ich gerne fliegen können. Ich bin schlecht in Mathe.

Moderator: (murmelt) Drei, nicht vier Funfa- Ach egal: (wieder enthusiastisch) Das war ZUM SCHREIEN KOMISCH! Ah, da kommen auch schon die ersten Fragen aus dem Publikum.

Zuschauer 1: (aus dem Zuschauerraum, aggressiv) Das hier ist absolut lächerlich. Was wollen Sie hier? Meine Großmutter wird in der Klapse eingesperrt, während Sie komfortabel im Warmen sitzen.

Die Freiheit: (überrascht) Sie müssen verstehen, ich komme nur zu denen, die mich suchen.

Zuschauer 1: Die Menschen, die Sie brauchen, können Sie nicht suchen! Meine Oma kann da nicht raus. Verstehen Sie nicht? Machen Sie verdammt noch mal Ihren Job!

Die Freiheit: (zittrig, mühsam beherrscht) Sie haben nicht die Freiheit, in die Welt hinauszugehen. Aber sie haben die Freiheit, eine Wahl zu treffen. Da besteht ein Unterschied.

Zuschauer 2: (aus dem Zuschauerrau, lallend und lachend) Die Gedanken si-hind frei-ei-ei!

Zuschauer 1: (erbost) Was nützt mir die Freiheit meiner Gedanken?

(Die Freiheit schreckt zusammen, ist sichtlich verängstigt und überfordert.)

Moderator: Bitte, zügeln Sie Ihren Ton gegenüber unserem Gast.

Zuschauer 1: (verächtlich) Wie, kaum konfrontiert man die Freiheit mal mit ihren Fehlern, bricht sie heulend zusammen?

Die Freiheit: (wieder gefasst und entschlossen) Nein. Ich gehe jetzt.

Moderator: Wie?

Die Freiheit: Ich gehe jetzt.

Zuschauer 1: Ohne meine Frage zu beantworten? Sie fliehen einfach? Ihr Verhalten ist bemitleidenswert.

Die Freiheit: Mein Verhalten ist mein Job.

Die Freiheit verlässt den Raum. Kaum ist sie verschwunden, beginnen sich die anderen Personen nur noch mechanisch wie Roboter zu bewegen. Zuschauer 1 will ihr nachlaufen. Er kommt nicht vom Fleck, scheint von einer unsichtbaren Wand aufgehalten zu werden.

DUNKEL

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