Freiheit der Gesellschaft
1: Heute habe ich gemalt.
(Leinwand steht abgewandt zum Publikum, er wendet sich zum Publikum und zeigt seine Hände)
1: Schaut sie euch an: Voller Farbe. Seht ihr es?
(Betrachtet die Leinwand)
1: Mein Bild heißt „Freiheit der Gesellschaft“. Ich weiß, eigentlich ein Widerspruch in sich, aber „Fesseln der Gesellschaft“ hört sich so abgenutzt an, findet ihr nicht auch?
Und man muss es so sehen: Die Gesellschaft besitzt die Freiheit, haben sie ersteigert, als wäre die Freiheit so billig. Die Freiheit, uns die Fesseln der Norm anzulegen, zu entscheiden, wie die Norm aussieht.
Was ist „normal“ heute? Mobbing? Sexismus? Rassismus?
Und welchen Preis bist du dafür breit zu zahlen? Deinen Charakter? Deine Einzigartigkeit? Deine Meinung? Deinen freien Willen?
Und all das nur um dazuzugehören und in der Masse an nichtssagenden Kopien unterzugehen. Das ist es nicht wert.
Weißt du, was es wert ist? – Etwas zu erschaffen, was noch nie da war, oder jemand zu sein, den es noch nie gab.
(Betrachtet das Bild)
1: Freiheit der Gesellschaft – oder besser gesagt
(Dreht das Bild zum Zuschauerraum; Das Bild ist ein Spiegel)
1: Du.
Kommentare
Sehr schön geschrieben. Mit einem Ende, daß ich so nicht erwartet habe.
Ein wundervolles Minidrama, dass mit seinem Twist am Ende eine unverwechslebare Doppelbedeutung schafft!
Sehr sehr schöne Erfassung von Freiheit. Ich finde es toll wie du auch auf den ständigen Dazugehörigkeitsdrang eingegangen bist. Dein Schreibstil gefällt mir auch sehr und deine Sicht auf Freiheit ist sehr sehr nachvollziehbar. Bitte weiter so 😉
Besonders das Ende fand ich überraschend und zeigt einem, das Thema aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten