Ich bin gar nicht da, das ist doch klar.

Es ist ganz dunkel. Man sieht nur den Sprechenden. Seine Augen sind zunächst geschlossen – sie bleiben die ganze Zeit geschlossen. Der Sprechende hat beide Hände gen Publikum ausgestreckt.
X „Wenn ich jetzt – jetzt – die augen auf mach, dann fühl ich den wind in ihnen sicher, er wird sie austrocknen, aber gut, so wie wenn man mit dem fahrrad schnell fährt – dann werde ich ein paar mal fest blinzeln müssen – sie sind ja trocken – und dann tränen sie wahrscheinlich. Es windet, deshalb. Vielleicht auch habe ich pollenallergie und vielleicht liegen pollen in der luft – Das weiß ich aber nicht jetzt. So – Jetzt hab ich also die tränen weggewischt, vielleicht auch nur weggeblinzelt, meine hände sind nämlich klebrig – Ich hab eis gegessen. Vielleicht schoko oder vanille oder erdbeere, oder was ganz tolles, vielleicht kirsche-rum oder etwas mit sahnehäubchen oder mit einer klebrigen glasur, das erklärt dann das kleben vielleicht – Das weiß ich auch aber jetzt gerade nicht, ich werds aber wissen, dann eben. Und jetzt würde ich nach oben gucken – auf einem berg stehe ich, da windet es nämlich so, deshalb mit den augen, der berg ist grün und ich gucke nach oben weil da ja der himmel ist, das ist klar. Nach hinten biege ich mich, um mehr vom himmel zu sehen – ganz muss ich ihn sehen, sonst wäre das klar falsch – und weil ich mich nach hinten so gebeugt habe, muss ich wahrscheinlich – aber das weiß ich jetzt noch nicht – mit den füßen nach hinten hinterhergehen – Ich will nicht umfallen. Sonst wäre ich ja hingefallen und dann könnte ich den himmel nicht mehr richtig sehen, weil ich würde beim hinfallen ja nach unten gucken, oder nach vorne zumindest, weil niemand guckt beim umfallen nach oben, das macht gar keinen sinn. man guckt immer da hin, wo man fällt. also guck ich weiter nach oben, und ich lauf meinem gebeugten rücken hinterher, um das gleichgewicht zu halten. um nicht hinzufallen, das ist klar. dann richte ich mich wieder auf und mein rücken tut ein bisschen weh – nur ein bisschen aber, ich bin jung, es tut aber irgendwie gut weh, es stört mich gar nicht. trotzdem, um das los zu werden, dass es ein bisschen weh tut, streck ich mich nach oben aus, drück die arme gegen den himmel nach oben. dann – das weiß ich nicht – jetzt noch nicht – dann…”
Man sieht nun mehr von der Bühne, schlagartig geht das Licht etwas entfernt an. Dort sitzt jemand auf einem kargen Bett, getrennt vom Sprechenden durch eine Wand. Es wird klar, dass die beiden Zellennachbarn sind.
NACHBAR: „Vielleicht kannst du dich hinsetzen, ja, und Grashalme aus dem Gras zerren. Ja, das macht jeder. Jeder gerne, ja?“
X: „Halts Maul. Ich bin gar nicht da, das ist klar. Ich bin woanders, woanders, da wos besser ist. Ich kann gar nicht mit dir reden, und du nicht mit mir. Das ist klar – das ist jedem klar. Dir ist das klar. Halts Maul, du redest mit dir selbst. Das macht gar keinen Sinn.“

Kommentare

  1. Von Sophie am

    Hallo, ein sehr interessantes Gedankenspiel. Ich habe nicht ganz verstanden, ob er zwischen -diesen- Zeichen redet oder ob es Regieanweisungen sind, daher hatte es einige Logikschwächen und ich habe den Text des Mannes leider nicht ganz verstanden. Der Schluss war unerwartet und super schön, vielen Dank dafür.

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