So wie mit 17

Es war ein Abend im August, wir waren mit den Fahrrädern zum See gefahren, saßen am Ufer und schauten der Sonne beim Untergehen zu.

T: Ronny?
R: Mhm?
T: Ich glaub es hört nie auf…
R: Was hört nie auf?
T: Das mit dem sich selbst suchen.
R: Möglich
T: Weißt du, mit 10 stellt man sich die Frage gar nicht wer man ist, dann wird man 12 und plötzlich merkt man, dass seine Gedanken nicht überall gut ankommen und dann ist man 14 und tut alles dafür sein Echtes ich nicht zu zeigen und schließlich ist man 17 und sucht sich verzweifelt in jeder Situation des Alltags, weil man vergessen hat wer man ist.
R: Ja, denk schon, dass das bei mir auch so ist
T: Aber hört das denn nie auf? Ich mein, in jedem verkakten Aspekt meines Lebens fühl ich mich verloren und such nach dem Sinn hinter allem und wenn ich denke ich habe ihn gefunden, krieg ich vom Leben einen heftigen Tritt in die Magengrube. Weißt du was ich mein?
R: Glaub schon, so wie damals, als ich dachte es würde etwas bringen, sich gegen das Schulsystem zu wehren und einen Brief ans Bildungsministerium geschickt habe. Und was hat sich geändert? Nichts, …außer meine Verhaltensnote.
T: Siehst du? Genau das ist das Problem! Sie trichtern uns ein, dass schon alles so richtig ist wie es ist und Veränderung was Schlechtes ist, dass es sich nicht lohnt sich zu wehren oder Fragen zu stellen! Das macht mich so sauer. Das macht mich so fertig ich meine: wie kann man nur so ignorant sein?
R: Vielleicht sind wir die Ignoranten. Es bringt ja nichts, wenn wir was tun Teresa.
T: Nein! Fang nicht an so zu denken Ronny, bitte fang nicht an so zu denken!
R: Ich weiß, dass wir im Recht sind, aber es ist so anstrengend, dass man tut und tut und dann doch nichts passiert. Macht irgendwie müde.
T: Ich glaub dran, dass irgendwann der Tag kommt, an dem wir etwas bewirken.
R: Wäre schön.
T: Mmh.
R: Früher dachte ich immer mit 17 bist du erwachsen und hast den Überblick.
T: Hehe und schau uns jetzt an: 17, keinen Plan von gar nichts, gesellschaftlich nicht angesehen und viel zu große Ideen und Träume für so eine kleinkarierte Welt…
R: Ist doch eigentlich was Gutes nicht? Denk doch mal nach: Die erwachsenen tun nur so, als ob sie einen Plan hätten, eigentlich wissen die ja nicht mal mehr an was die glauben, sie machen nur das, was sie gewohnt sind. Und wärst du wirklich lieber gesellschaftlich angesehen als frei? Ich meine, wenn wir 30-jährige Anzugträger wären und am See uns eine Flasche Cola teilen würden, würden alle kucken, jetzt ist es ihnen aber egal, denn wir sind „jung und dumm“ in ihren Augen. Wir dürfen das. Und unsere „zu großen Träumen“?
T: … und Ideen“
R: Unsere zu großen Träume und Ideen? Du weißt ja gar nicht was für ein Glück wir haben. Wir haben einen Horizont voller Möglichkeiten vor uns, den der Durchschnittsmensch nie zu Gesicht bekommen wird!
T: Vielleicht hast du recht.
R: Ich hab ganz sicher Recht!
T: Lass einfach für immer so wie jetzt bleiben. Mit den Träumen und dem Hinterfragen undso…
R: Ok, machen wir so. Lass für immer so wie mit 17 sein.
T: Versprochen?
R: Versprochen.

Ich nahm noch einen Schluck aus der Flasche, bevor ich sie Ronny zurückgab. Wir schwiegen den restlichen Abend, während wir zusahen, wie die Sonne zusammen mit dem vollendetem Tag unterging. Das war aber gar nicht so schlimm, denn morgen würde ein neuer Tag kommen und wir würden noch eine ganze Weile lang 17 sein. Dem war ich mir sicher, denn Ronny und ich hatten es uns ja versprochen und Versprechen werden niemals gebrochen und schon gar nicht, wenn man 17 ist.

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