UNGEHEUER
(Monolog strukturell angelehnt an Sophokles’ Antigone ca. 442 v. Chr.)
Regie: Schauspieler trägt weiße Maske und dunkle Kutte, Licht gedämmt, er sieht zu Boden, mystische, instrumentale Musik im Hintergrund.
Schauspieler:
„Nichts ist UNGEHEURER als der Mensch,
Nichts ist UNGEHEURER als der, der weiß, wie man Türen baut, aber nicht, wie man durch sie hindurch geht.
Nichts ist UNGEHEURER als der, der vor Mauern sitzt, die er sich selbst erbaut, sich selbst errichtet, sich selbst vor den eigenen Füßen zu Barrieren aufgeschüttet hat.
Der das Licht erfunden hat, aber es nicht zu nutzen weiß, wenn er in einem dunklen Tunnel irrt.
Der sich Grenzen setzt, bevor er das große Ganze vollends erfasst hat.
Der die Leiter erfunden hat, aber zu stolz ist sie zu benutzen. Zu stolz, die Sprossen zu erklimmen, wenn er in einem dunklen Loch sitzt.
Nichts ist UNGEHEURER als der, der all diese Fähigkeiten besitzt, kreativ zu sein, fantasievoll zu sein, frei zu sein; sich freizumachen,
Aber seine Gedanken an metallene, schwere Ketten hängt, die ihn nach unten ziehen, die ihn zerstören, zermalmen, sein Innerstes zerbersten.
Nichts ist UNGEHEURER als der, der sich selbst zum UNGEHEUER macht.
Der sich selbst als UNGEHEUER erkennen will, erkennen wird im Spiegel, wenn er sich nur lang genug an seinen Gedankensketten festbeißt, festhält, festkettet.
Der die Fantasie erfunden, die Hoffnung gefunden hat, aber trotzdem den harten Knoten in dem weichen Kern nicht lösen kann.
Weil er ist, was er ist, der Mensch,
der sich über alle erhoben und innerlich trotzdem unter sich selbst gestellt hat. Unter seine eigene Würde, sein eigenes Fleckchen restlich verbleibender Identität.
Der Mensch ist UNGEHEUER. Er denkt, er ist der Herr, dabei ist er nicht einmal sich selbst Herr. Dabei ist er nicht Herr seiner Gedanken, seiner Gefühle.
Ja, so UNGEHEUER stolz ist der Mensch. So UNGEHEUER grausam, so UNGEHEUER verblendet.
Gefangen in seinen eigenen Gedanken,
angekettet an die Ketten für die Feinde, dreht er sich im Kreis wie ein Tiger und weiß es nicht, will es nicht wissen.
So UNGEHEUER ist der Mensch. So listig und schlau, auf dem Papier frei, aber hilflos in seinen Gedanken und dort sich selbst größter Kritiker, Runtermacher und Feind. Kann sich selbst kaum ertragen.
Fantasie und Freiheit angekettet an eine karge Wand,
ist der Mensch bloß UNGEHEUER.“
Schauspieler schaut zum ersten Mal ins Publikum und zieht die Maske ab. Er wirft die Maske ins Publikum und geht ab.