Wolken im Kopf
[Mutter und Kind sitzen im Zug nebeneinander. Kind sitzt am Fenster. Eine junge Frau sitzt der Mutter gegenüber.]
Kind:[aufgeregt]”Siehst du sie schweben?”[Deutet mit dem Finger aus dem Fenster in die Luft.]
Mutter:”Was denn, mein Schatz?”
Kind:[begeistert aus dem Fenster blickend] “Die Figuren in den Wolken. Schau, wie die Armeen sich über unseren Köpfen erheben, so zuckerwattenleicht durch die Lüfte schweben.
Siehst du denn nicht?”
Mutter:[abwehrend]”Da ist nichts.
Sieh dir doch lieber die schöne Landschaft an. Man sollte froh sein, solange man (überhaupt) sehen kann.”
Kind:”Ich sehe doch. Ich sehe ganz genau.
Die Prinzessin aus Seidenstaub winkt mir zu. Der Drache setzte sich in ihrem Schlosse zur Ruh’.
Sie wurde vertrieben, erzählt uns ihre Geschichte. Mach sie nicht so einfach zunichte.”
Mutter:[sarkastisch]”Bestimmt sind da auch Zauberer.”
Kind:[freudig, den Sarkasmus nicht erkennend]
“Ja, genau! Endlich siehst du es auch!
Ich dachte schon, ich wäre verrückt. Meine Erzieherin ist meistens nicht so von mir entzückt.
Sie meint, ich bräuchte eine Therapie. Aber was das bedeutet, wusste ich nie.”
Mutter:[seufzt] “Ach Kind, sei leise.
Sonst denke ich auch bald noch so. Sei’ doch über Vorhandenes froh.”
Kind:[traurig, senkt den Kopf]
Junge Frau:[hat mitgehört und rückt vom Gangplatz auf den Fensterplatz; zeigt mit dem Finger aus dem Fenster nach oben]”Schau mal dort im Wald-der Zwerg!
Er winkt dem Zug
von seinem Berg.
Und der mächtige Drache dort im Flug!”
Mädchen:[verunsichert, hebt leicht den Kopf und sieht ungläubig aus dem Fenster.]
Mutter:[verärgert]
Junge Frau:[sieht jetzt das Mädchen an, fährt unbeirrt fort]”Er ist aus dem Schloss geflohen. Der Pegasus hat ihn verjagt.”
Mädchen:[lächelt sie interessiert an]”Wow! Hat er sich wirklich hineingewagt?”
Junge Frau:”Gewiss! Er war mutig und hat groß geträumt.” [Schaut wieder aus dem Fenster in die Wolken, als könne sie darin eine Geschichte lesen.] “Er hat keine Sekunde versäumt, um der Prinzessin zu helfen.”
Kind:[sieht auch aus dem Fenster]”Aber lebt der Drache noch?”
Junge Frau:”Natürlich. Er ist jetzt nur in seinem Drachenloch. Jetzt leben alle wieder in Frieden.”
Mutter:[schnaubt verächtlich und setzt zum Reden an]
Junge Frau:[bemerkt es, blickt zu ihr und kommt ihr zuvor]”Wo ist nur Ihr Sinn für Fantasie geblieben?
Sehen können wir alle drei, doch mit dem Träumen ist es für Sie schon längst vorbei.
Man sollte froh sein, solange man (noch) träumen kann.” [Erhebt sich und steigt aus dem Zug.]
Mutter:[nachdenklich]
Kind:[schaut der jungen Frau nach, um ihr aus dem Fenster zu winken.]
Junge Frau:[winkt zurück]
Kind:[sieht zur Mutter]
Mutter:[sieht zu ihr] “Erzähl mir, was du siehst. Ich will nur nicht, dass du vor der sichtbaren Welt fliehst.
Doch lade mich gerne auch in deine ein. Du bist darin nicht länger allein.” [Legt einen Arm um ihr Kind.]
Kind:[Beginnt mit einem breiten Lächeln, das ihre Lippen ziert, zu erzählen.]
Kommentare
so viel fantasie und ist soo schön zu lesen
Ich finde den Text richtig gut geschrieben, besonders mit den Reimen! Auch das Thema passt richtig gut